Bel-Ami de Montreux

 

 

 

Das Adjektiv

 

         Für Mark Temmer

 

Stephanie und ich

aßen in der Pizzeria

Pizza und Salat.

Das Lokal füllte sich schnell.

Die Väter bringen ihre Frauen mit

Und sämtliche Kinder, nur die Haustiere nicht,

Wegen der Pizza, wegen des Salats,

Und um mit der Familie anzugeben,

Die jedes Jahr um ein Kind wächst.

Vor allem kommen sie

Am Freitagabend,

Was den Besitzer amüsiert

Und die Kellner ärgert...

Eine traditionelle Familie

An einem Tisch neben uns

Schlang ihr Essen hinunter,

Als einer der Kleinen,

Ein ganz blonder,

Seinen Vater fragte:

– Papa, was ist ein Adjektiv?

Der erschütterte Vater antwortete:

– Ein Beiwort, ein Attribut eines Hauptwortes?

– Ich weiß, was ein Adjektiv ist,

Sagte ich zu Stephanie, die anmutig lächelte.

Wenn Stephanie lächelt,

Glitzern ihre schönen inselgrünen Augen.

– Adjektive, fuhr ich fort,

Sind etwas, das ich ständig gebrauche.

Ich habe ein ganzes Repertoire davon,

Das ich jederzeit

Bei jedem Aufnahmewilligen anbringe.

– Und was ist deine Beschreibung des Adjektivs,

Monsieur Grammatik? scherzte sie.

Einer Schulklasse würde ich das erzählen,

Was der Vater seinem Sohn sagte.

Aber dem Kind würde ich antworten:

– Ein Adjektiv ist eine Krone,

Die die Frauen tragen.

Es ist ein Wort, das die

Treibenden Wolken verschönert.

Es läßt die Wiesen im Frühling duften.

Es ist der Balsam besternter Nächte.

Siehst du, mein Sohn, wenn ich zu deiner Mutter sage:

– Du bist schön, so schön!

Ist schön das Adjektiv,

Mit dem ich deine Mutter bedenke,

Um ihr zu sagen, daß ich sie schätze,

Manchmal, um ihr zu schmeicheln,

Häufiger, um sie zu verführen.

Wenn ich zu dir sage: – Du bist süß,

Steht süß für die

Große väterliche Liebe,

Die ich für dich empfinde.

Wenn die Vögel fröhlich sind,

Singen sie für die Natur,

Die sie lieben, ihre verführerischen Adjektive.

Manche Adjektive sind böse.

Wie wenn du zu einem Freund sagst:

– Philipp, du bist blöd.

Blöd ist das Beiwort von Philipp.

Das Adjektiv reimt sich,

Verführt,

Ärgert,

Erzeugt Haß.

Falls er erwidern sollte:

 – Aber Papa, wie kommt es,

Daß ein Wort soviel Macht haben kann?

Würde ich antworten und ihn dabei umarmen:

– Lieber Sohn, das Adjektiv

Ist wie ein launisches Kind,

Sehr vielseitig und sehr verwöhnt.

 

 

 

Adieu

 

wir streiten uns

warum eigentlich?

ich habe eine witzige Bemerkung gemacht
nichts Besonderes
nur einen Scherz
eine private Meinung von mir gegeben
und du regst dich
mit erhobener Stimme darüber auf
die Leute drehen sich um
studieren uns
wir sind die Komödie
auf der glänzenden Bühne
dieses dunklen Restaurants
Stars des Mittagessens
mit diesem Dekor:

 

Zwiebelsuppe
Quiche Lorraine
Boeuf Bourgignon
Mousse au Chololat
Sauvignon Blanc

 

wir essen kaum etwas
wir zerstückeln das Brot
tunken es in die Suppe
und lassen es dort ertrinken
unter den zähflüssigen Säften
die sich unsere

mißvergnügten Augen

zuschleudern

unsere Blicke weichen einander aus

um sich nicht zu verraten

ich schneide eine Unterhaltung an

ich versuche vom Sommer

zu sprechen der sich ankündigt

du schüttelst den Kopf
und zerbröckelst weiter das Brot

Eintunken in der Suppe

Eintauchen im Wein

ich esse mein Bourgignon

du lobst deinen Quiche

– nicht schlecht!

– gut!

 

das Paar gegenüber beobachtet uns
er trägt einen altmodischen Anzug

hat fette Backen

einen aufgeblasenen Bauch

die blonde Frau ist nicht unattraktiv

unsere Rechnung: 20 Dollar, 20 Cents

die Bedienung lächelt

um uns an das Trinkgeld zu erinnern

wir gehen

apathisch

mit aufgesetztem Lächeln

die Hitze erstickt uns

das Sonnenlicht macht uns blind

ich setze meine Vuarnet auf

du deine Ray Ban

du willst heim in deine Wohnung

ich möchte noch ein bißchen bummeln

mir die Schaufenster ansehen

die Modegeschäfte

du fährst zornig weg

ich warte auf die grüne Ampel

gehe zum Geschäftszentrum hoch

dein Auto ist im sommerlichen

Dunst verschwunden

wir werden uns nicht mehr wiedersehen

nicht mehr als Liebespaar

 

 

 

Die Debütantinnen

 

Der Himmel ist eine blaue Prärie,
Auf der weiße Flocken weiden.
Das Häuschen mit seiner Frisur aus rotbraunem Stroh
Und seinen weiß gekalkten Wänden

Kontrastiert mit dem inselgrünen

Kleid des Hügels.

Weiße Bänder,

Rote Spangen,

Chrysanthemen

Und Tulpen

Zieren ihr lampenschwarzes

In langen Zöpfchen herabfallendes Haar.

Sie tragen weiße Kleider,

Rote Gürtel,

Weiße Schuhe, rote Schnürbänder.

 

Hinter leichtfertigem Lächeln

Verborgen das Verlangen
In ihren schönen geschminkten kreolischen Gesichtern.

Die Bajaderen meiner Fantasie

Gehen mal hierhin, mal dahin

Durch den tropischen Garten

Mit seinen Tupfern aus weißen Nelken

Und roten Rosen,

Seinen fächerförmigen Zweigen.

Provozierend setzen sie sich

Mit gekreuzten Beinen

Auf Throne aus Bambus.

Dort flüstern sie sich

Ihre tiefsten Geheimnisse

Und intimsten Wünsche zu.

 

 

 



 

Deutsche Übersetzung von „L’adjectif“, „L’adieu“ , und „Les débutantes“ aus: Bel-Ami Jean-Baptiste de Montreux, La chanson de Bel-Ami, Editions Saint†Arromand, Salt Lake City, 1996. © der Übersetzung Johannes Beilharz 2001. Übersetzt mit freundlicher Genehmigung des Autors.