MANUEL ALTOLAGUIRRE


DÄMMERUNG

Komm, ich will mich ausziehn!
Das Licht ist schon fort, und ich bin
meiner Kleider so müde.
Zieh mich aus, damit sie glauben
ich sei gestorben, denn nackt
schlaf ich die ganze Nacht,
während sie meinen Schlaf bewachen.
Denn morgen früh, ganz früh,
will ich mein Nackt ausziehen
und in einen Fluß gehn und mich baden,
während Kleid mit Kleide sie
für immer dann verwahren.
Komm, Tod, ich bin ein Kind
und will ausgezogen werden,
denn das Licht ist schon fort und ich
bin meiner Kleider so müde.

 

ICH FRAGTE DICH NACH MIR, VERHALTNER FLUSS

Ich fragte dich nach mir, verhaltner Fluß,
du totes Wasser, schlafendes.
Ich fragte dich nach mir, als ich ermüdet
an deinen Ufern mich vom Wald befreite.
Ich, der auf deinen Wassern so viel mal
fröhliche Jugend doppelter gewann.

Hast du dich dieser Zeit entziehen
können, um mich so
zu malen unter andern Wolken?
Mein neues Alter und der graue Himmel sagen
mir, daß das Wasser wie der Mensch vergißt.
Obwohl ich fürchte, daß du nicht vergißt, mich nicht
vergißt in dieser neuen Form aus Schmerzen.

 

SIE HEISSEN MICH EINEN ENGEL

Sie heißen mich einen Engel,
aber um ins Licht zu kommen
muß ich Stufe für Stufe
mit meinen Beinen nehmen.
Manchmal fall ich, müde vom Steigen
– vielleicht auch der Tunica wegen –
aber es gibt keine fallenden Engel,
außer dem Sturz in den Abgrund.
Und im tiefsten Fall noch traf ich
auf Weiche, auf Glanz, ich
erinnre das Parfüm
und das böse Vergnügen.
Nun bin ich aufgewacht und will
die Leiter wiederfinden,
um Schritt für Schritt, ohne Flügel,
in meinen Tod hinaufzusteigen.


Aus: Rose aus Asche, spanische und spanisch-amerikanische Lyrik seit 1900, herausgegeben und übertragen von Erwin Walter Palm, R. Piper & Co. Verlag, München, 1955.