JUAN RAMÓN JIMÉNEZ


VERKÜNDIGUNG

Das Rad
der Nacht
hielt an ...
               Undeutliche Malven-Engel
löschten die grünen Sterne.

Ein ruhiges Band von
zärtlichen
Veilchen
schlang sich verliebt
um die bleiche Erde.

Die Blumen am Ausgang des Traums seufzten
und machten den Tau trunken von ihrem Duften.

Und am frischen Ufer der rosenfarbenen Farne so
wie zwei Seelen aus Perle
ruhte Seite an Seite
schlafend unsre Unschuld
— oh wie weiß, wie rein die Umarmung! —
ins Ewige heimgekehrt.

 

NOCTURNO

Sterne, süße Sterne,
traurige ferne Sterne,
seid ihr Augen von toten Freunden
— ihr seht so starr auf mich! —
seid ihr Augen von toten Freunden
die an die Erde denken
— ach, selige Blumen aus Licht —
wenn der Frühling wiederkehrt?

 

ROSENSTRAUCH

Mit jenem Kuß hat dein Mund
in meinem den Rosenstrauch
gepflanzt, dessen Wurzeln an
meinem Herzen fressen.

- Es war Herbst. Der maßlose Himmel
riß mit seiner Sonne
alles Gold, in Säulen aus Glanz,
aus dem Leben empor.

Der Sommer kam und ist dürre.
Der Rosenstrauch — alles vorüber —
hat in meinen Augen, spät,
zwei Knospen aus Schmerz geöffnet.

 

ENTBLÖSST

Die Blumen des Morgengrauns
kommen über das Meer
— Wellen und Wellen von
weißen Lilien —.
Der Hahn bricht aus in seinen
Trompetenruf von Silber.

—... Heute! sag ich zu dir
und rühre an deine Seele —.

Deine malvenfarbne Nacktheit
unter den Pinien,
deine Füße in dem bereiften
zärtlichen Gras,
deine Haare, grün
von feuchten Sternen.

—... Du fliehst und
sagst mir: morgen! —

Der Hahn bricht aus in seinen
Trompetenruf von Flamme,
und das volle Morgenrot,
am Scharlachhimmel singend,
steckt seine Feuer an den
schmeichelnden Zweigen an...

— ... Heute! sag ich zu dir
und rühre an deine Seele —.

Ach, die Sonne ist aufgegangen,
deine vergoldeten Tränen,
die ungeheuren Augen
deines Zaubergesichts,
die glühend meine schwarzen
Blicke vermeiden.

— ... Du fliehst und
sagst mir: morgen! —


Aus: Rose aus Asche, spanische und spanisch-amerikanische Lyrik seit 1900, herausgegeben und übertragen von Erwin Walter Palm, R. Piper & Co. Verlag, München, 1955.